An einem der kälteren Wintersonntage in einem der vielen Cafés in meinem Stadtviertel. Ich habe es mir gerade mit Zeitung und Cappuccino bequem gemacht, als mir der Kerl auffällt, der hinten auf der Bank vor dem großen Fenster sitzt. Er trägt nur eine kurze Kaki-Hose und ein schwarzes ärmelloses T-Shirt, nicht mal Sandalen. Sieht aber sonst völlig normal aus, muskulös, gepflegtes Äußeres, kurze dunkle Haare und trinkt ein Weißbier, als sitze er im Hochsommer mit Freunden im Garten.
Ich beginne mir Geschichten über ihn auszudenken. Vielleicht ist er Amerikaner und kommt aus einer dieser Gegenden wo sie mit unglaublicher Kälte aufwachsen. Ein Freund in Kalifornien stammt aus dem nördlichen New York und rennt Winter wie Sommer in kurzen Hosen herum. Aber mit Schuhen. Vielleicht ist der Typ hier aber auch so ein Survival-Fanatiker? Ein Rüdiger Nehberg-Jünger? Der nur Würmer ißt? Oder Anhänger einer Sekte die Kleidung verbietet? Und wo gibts diese Sekte und haben die auch weibliche Mitglieder? Aber wahrscheinlich doch eine völlig triviale Situation, er arbeitet in der Küche und hat gerade Pause?
Nach einer halben Stunde dann endlich die Auflösung. Ein Mann in Arbeitsklamotten betritt das Lokal und fragt kurz hinter der Theke nach, die Bedienung deutet auf den sommerlich gekleideten. Dieser springt auf, aus dem kurzen Gespräch höre ich nur »Getränk anschreiben«, »beim Bodenlegen ausgesperrt« und »Schlüsseldienst« und gemeinsam verschwinden sie im Hinterhaus.

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